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Deutscher Naturwerkstein-Verband e.V.

Rückblick DNV-Fassadenseminar am 19./20.01.2023

Das vom Deutschen Naturwerkstein-Verband jährlich stattfindende Fassadenseminar der Industrie fand am 19. und 20. Januar in Würzburg statt. Das Seminarangebot umfasste Fachvorträge und Praxisberichte zur sicheren Planung und ästhetisch ansprechenden Gestaltung von Fassadenbekleidungen aus Naturwerkstein mit vielfältigen Fachinformationen für die Ausführung im Baubestand und bei Neubauten.

Die Seminarpausen haben viele Teilnehmer genutzt, um sich mit Branchenkollegen auszutauschen. (Foto: DNV)

Insgesamt 130 Zuhörer verfolgten das Seminar. (Foto: DNV)

DNV-Geschäftsführer Reiner Krug stellte die aktuellen Änderungen der DIN 18516 Teil 1 vor, die derzeit in Überarbeitung ist. (Foto: DNV)

Fassaden müssen heute weit mehr leisten als nur den erforderlichen Wetterschutz. Nach wie vor sind Umweltschutz, Nachhaltigkeit und Energiesparen die beherrschenden Themen bei einer Fassadenplanung. Hier spielen die technische Planung, die fachgerechte Montage, die bauphysikalisch funktionierende und optisch ansprechende Fassadengestaltung sowie Oberflächenschutzsysteme eine zentrale Rolle.

DNV-Geschäftsführer Reiner Krug sprach über die Vorteile von Naturstein und die zunehmende Bedeutung von nachhaltigen Bauweisen. Naturstein nimmt angesichts des Klimawandels und der aktuellen Energieknappheit zunehmend eine Vorbildfunktion ein, da mit der Verwendung von Naturwerkstein im Bauwesen erhebliche Einsparungen von CO2-Emissionen möglich sind. Das Bewusstsein, dass Nachhaltigkeit der Schlüssel zu den großen Herausforderungen unserer Zeit darstellt, ist weit verbreitet und beeinflusst auch die Entscheider aus Wirtschaft und Industrie. „Konstruktive Natursteinbauteile schaffen aufgrund ihres kleinen CO2-Fußabdruckes einen nachhaltigen Mehrwert im Gebäudesektor und etablieren sich als tragende Säule einer zukunftsorientierten Baukultur“, hob er hervor.

Frau Schmidt von My Climate erklärte den Ablauf der aktuell vom DNV beauftragten EPD-Erstellung (Kurzform für Umwelt-Produktdeklaration, englische Bezeichnung Environmental Product Declaration) unter dem Titel „Produkte aus Naturwerksteinen“. Das seit 2002 am Markt agierende Unternehmen hat sich auf die Ökobilanzierung, Auswertung und das Reporting für Unternehmen und Produkte spezialisiert. Mit einer EPD werden alle Nachweise, die international für Green Building Programme erforderlich sind, erfüllt. In dem konkreten Fall lag der Schwerpunkt bei der Datenerfassung auf ein Verarbeitungswerk und wesentliche deutsche Steinbrüche. Betrachtet wurden dabei magmatische Gesteine wie beispielsweise Granit („Hartgestein“) und sedimentäre Gesteine wie Sandstein und Kalkstein („Weichgestein“). Die finalen EPDs werden voraussichtlich ab April 2023 beim DNV verfügbar sein.

Anschließend ging Herr Krug auf die aktuellen Änderungen der  DIN 18516 Teil 1 ein, die derzeit in Überarbeitung ist.Er berichtete über die Neuerungen hinsichtlich der Lastannahmen wie beispielsweise der Erdbebenlasten sowie der geplanten Ergänzungen der Bestimmungen zum Brandschutz. Erhebliche Textänderungen sind auch im Anhang A, den Prüfgrundsätzen für niet- und schraubenartige Verbindungen und Befestigungen vorgesehen, die noch in der Diskussion sind. Auch seien im Anhang B neue Abbildungen zur Ausführung und Anordnung einer Windsperre noch in der Endabstimmung.

Joachim Deppisch sprach über das Thema „Ausbruchslast am Ankerdornloch“. Er erklärte, welche Möglichkeiten es zum Einsetzen von Ankerdorne in Fassadenplatten gibt. Die Ankerdorne können direkt mit beständigen Klebstoffen oder Zementleim sowie mit Gleithülsen aus Polyacetat (z. B. Polymethylen (POM))  in das gebohrte Ankerdornloch eingesetzt werden. Im Rahmen des Forschungsauftrag des DNV war zu prüfen, welchen Einfluss die Dornlagerung im Naturwerkstein auf die Ausbruchlasten hat. Hierzu wurden von der LGA Bautechnik Prüfungen mit unterschiedlicher Dornlagerungen (Mörtel, Klebstoff, Gleithülsen und ohne Füllung) durchgeführt, deren Ergebnisse er vorstellte.

Weiterhin ging er auf die aktuellen Änderungen der neuen DIN 18515 Teil 1 – AngemörtelteAußenwandbekleidungen ein. Einige Mörtelhersteller beantragten 2019 die Überarbeitung der letzten Version DIN 18515-1: August 2017, um Regelungen auch für größere Bauteile und evtl. zum Verlegen auf Wärmedämmverbundsystemen (WDVS) herbeizuführen. Nach 12 Sitzungen und intensiven Diskussionen wurde mit Ausgabedatum 07-2022 der neue Entwurf veröffentlicht und im Januar 2023 wurden die Einsprüche zum Gelbdruck diskutiert, so dass voraussichtlich im April 2023 die überarbeitete DIN 18515 Teil 1 veröffentlicht wird.

Janis Beresheim von IBT, Ingenieurbüro für Befestigungstechnik, sprach über Bemessung von dynamischen Lasten. Die Bemessung auf Stoßlasten gestaltet sich aufgrund vieler Unbekannter als schwierig. Weder die Kontaktzeit, Lager- und Federverhalten der Konstruktion noch die Belastungsgröße sind bekannt oder lassen sich ohne Weiteres ermitteln. Die metallischen Verankerungsmittel selbst sind duktil genug, um lokale Lastumlagerungen zu ermöglichen und können Stoßkräfte unter großen Verformungen abfedern. Naturwerksteinplatten selbst sind jedoch starr, ohne nennenswerte Verformbarkeit. Hier reichen bereits geringe Stoßkräfte aus, um ein Versagen (Plattenbruch bzw. Ankerdornausbruch) hervorzurufen. Soll dennoch eine Aussage über Tragfähigkeiten von Fassadenplatten unter Anpralllasten getroffen werden, können laut Beresheim eigentlich nur Bauteilversuche eine ausreichende Beurteilungsgrundlage darstellen.

Roland Biedermann von PSS Interservice sprach über den Schutz und die Veredelung von Natursteinoberflächen am Bau. Als Schutz vor Witterungseinflüssen und zum Erhalt der Optik von Oberflächen können diese imprägniert oder beschichtet werden. „Auch die Graffitientfernung ist heute ein wichtiges und ernstzunehmendes Thema“, ergänzte Biedermann. Das Ziel ist stets, die restlose Entfernung der Graffiti oder Verschmutzungen zu ermöglichen, ohne die Oberfläche zu verletzen oder gar substanziell zu beschädigen. Eine Graffitientfernung auf ungeschützten mineralischen Untergründen ist eine Aufgabe mit vielen Unbekannten. Die erfolgreiche Graffitientfernung ist von der Art des Graffitisprays, Art des Untergrundes, Beschaffenheit der Oberfläche (saugfähig), Witterung (Sonneneinstrahlung), Alter des Graffitis und nicht zuletzt von der Jahreszeit abhängig.

Dr. Kupfer griff das Thema seines Vorredners zu Oberflächenschutzsystemen für Fassaden aufund erläuterte die Anforderungen an Schutzsystem  aus Laborsicht.Laut Dr. Kupfer ist derzeit ein Trend zu Oberflächenbeschichtungen auf Silikonbasis zu beobachten, es liegen jedoch nur wenige praktische Erfahrungen zur Einschätzung vor. Labortests zeigen aber, dass die Reinigung mit einem kalten Wasserstrahl, teilweise mit spezieller Reinigungschemie und teilweise händisch mit einem Schwamm und Wasser bei Zusatz eines Spülmittels gute Erfolge versprechen. Es gibt jedoch speziell in der Graffitiszene verwendete Sprühfarben, die die Beschichtung angreifen und einen Substanzverlust bei der Farbentfernung verursachen. In letzter Zeit sind auch Tinten marktüblich, die nicht mehr rückstandsfrei entfernbar sind. In diesen Fällen muss die Schutzschicht zusammen mit den Tintenresten abgetragen werden. Danach muss die Schutzbeschichtung neu aufgetragen werden. Nicht für jede Oberfläche ist ein Anti-Graffiti-System notwendig. Besteht aufgrund der Oberflächeneigenschaften ein erhöhtes Risiko für Farbschatten nach einer Graffitientfernung, sollte ein Anti-Graffiti-System in Betracht gezogen werden. Leider gibt es kein Schutzverfahren, das für alle Untergrundarten empfohlen werden kann und eine vollständige Farbentfernung garantiert.

Dr. Petra Egloffstein, Bauberaterin Spezialanwendung beim Mörtelhersteller tubag, eröffnete den zweiten Seminartag und ging auf CO2 arme Mörtel für Natursteinmauerwerk ein. Natursteine sind, bedingt durch ihre Arten und Eigenschaften, einzigartig im Aussehen, in der Farbe und in der Oberfläche. Kommen Natursteine mit Mörtel in Kontakt, kann dies sich ändern. Die Mehrzahl der natürlichen Gesteinsarten ist aufgrund ihrer Kapillarstruktur verfärbungsanfällig. Besonders Kalkausblühungen und Verfärbungen beeinträchtigen den Gesamteindruck von verwendeten Natursteinen negativ. Um solche Schadensbilder und die damit verbundenen Reklamationen zu vermeiden, empfiehlt Frau Dr. Egloffstein bei der Produktauswahl darauf zu achten, dass nur trasshaltige Mörtel und Bindemittel zum Einsatz kommen. Trass ist ein Baustoff, der Kalk bindet und der das Aussintern von Freikalk verhindert. Für Trass wurde im Rahmen einer EPD ein CO2 Ausstoß von 104 kg/t berechnet, der wesentlich geringer als der von Zement ist.

Der Würzburger ö.b.u.v Sachverständige Karl-Hermann Gerloff erläuterte im Seminar die rechtlichen und technischen Grundlagen zur Überprüfung von Bestandsfassaden auf Standsicherheit bzw. Verkehrssicherheit. Die Verkehrssicherungspflicht und damit verbundene Kontrollpflichten ergeben sich aus der Landesbauordnung (Bauordnung, Art. 3, Abs. 1, Satz 1: „bauliche Anlagen sind so instand zu halten, dass keine Gefahr für Leib und Leben besteht…“) sowie aus dem BGB. Das Merkblatt der Bauministerkonferenz (Fassung 9/2006) konkretisiert dies im Detail. Im Übrigen greift im Falle eines Unfalls neben den zivilrechtlichen Schadensersatzforderungen bei Personenschäden u. U. die staatsanwaltliche Prüfung der Ursachen mit Hinblick auf den möglichen Tatbestand der Körperverletzung (schlimmstenfalls mit Todesfolge) und dabei die Frage nach Erfüllung der Kontrollverpflichtung des Eigentümers/Verfügungsberechtigten.

Abschließend berichtete Joachim Deppisch über Prüfungen der Befestigungen bei Bestandsfassaden. Wenn die Standsicherheit von Fassaden im Bestand auf der Grundlage von statischen Bemessungen theoretisch nicht mehr nachweisbar ist, besteht die Möglichkeit mit Vor-Ort-Prüfungen die Standsicherheit zu prüfen. Hierbei ist jedoch die gesamte Fassade mit allen Verankerungen einzuschließen, so dass ein relativ hoher Prüfungsaufwand besteht. Er erläuterte an mehreren praktischen Beispielen, wie unter Ansatz von Prüflasten die Auszuglast der Verankerungen geprüft wurden und somit die Standsicherheit nachgewiesen werden konnte.
 

Kontaktdaten für weitere Informationen:

Deutscher Naturwerkstein-Verband e.V. (DNV)
Geschäftsführer Reiner Krug
Sanderstraße 4
97070 Würzburg
Tel.: 0931 / 120 61
info@natursteinverband.de
www.natursteinverband.de